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Marthe de Fels, eine Seele der Literatur

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Marthe, comtesse de Fels, princesse de Heffingen Lebaudy, geborene Marthe de Cumont, stammte aus altem französischen Adel und stand einem literarischen Salon vor. Als Geburtsjahr wird 1898 angegeben, ein Sterbejahr findet sich jedoch nicht. Nach – allerdings unbestätigten – Aussagen soll sie fast die Schwiegermutter des früheren französischen Präsidenten Giscard d’Estaing geworden sein, hätte ihre Tochter Hélène nicht den Heiratsantrag des damaligen Beamten im Finanzministerium abgewiesen. Betrüblich auch für meine Recherche, fänden sich dann doch höchstvermutlich weit mehr Berichte über die Comtesse de Fels.

Übersetzung des Artikels im Figaro vom 1. Februar 1988

Marthe de Fels ist unserem Gedächtnis bereits entschwunden. Wie Adrienne Monnier und Vittoria Ocampo befand sie sich, dank ihren Freundschaften, inmitten des künstlerischen Lebens dieses Jahrhunderts.

Professor Jean Bernard erinnert an diese große Figur.

MARTHE DE FELS  hat ihr ganzes Leben der Veranschaulichung und Verteidigung der französischen Literatur gewidmet. Der Veranschaulichung vor allem. Mit zwanzig veröffentlichte sie ein hellwaches und profundes Buch über Claude Monet. Sie schreibt später zahlreiche Arbeiten, Artikel, Texte und Besprechungen.

Ich muss meine Vorliebe für ihr bewegendstes Buch gestehen: Quatre messieurs de France. Ein großer Dichter, und Freund von ihr, hat die Männer des Abenteuers und die Männer der Marotte besungen. Marthe de Fels besingt die Männer der Tat: Olivier de Serres kauft ein Landgut in sehr schlechtem Zustand und schickt sich an, es mit Sachverstand und Eifer und mit gehörigen Fleiß in ein Bilderbuch-Landgut umzuwandeln. Vauban, hin und her geschüttelt in seiner Postkutsche, arbeitet wie ein Cartesianer und verfolgt mit Hellsichtigkeit seinen Bau auf einem umfassenden Gesamtplan. Poussin schreit als junger Mann heraus: „Auch ich werde ein Maler.“ Monsieur Vincent träumt von einer Religion, die sich nicht länger auf dem Schrecken, sondern auf der Liebe, begründet. Er knüpft an dieses innere Erkennen ein Handlungsprogramm und wird zum Baumeister, inspiriert von Gott, der die Seelen aufruft, mit ihm seinen unermesslichen Wohnsitz zu errichten.

Maß und Leidenschaft. So könnte der Titel dieses schönen Buches lauten, so könnte auch die Definition jedes Handelns von Marthe de Fels sein.

Die vier Herren, alle vier, sind von großen Leidenschaften ausgefüllt:

Die Liebe zu den Armen, die Leidenschaft zu pflanzen, die Leidenschaft zu bauen, die Leidenschaft zu malen. Aber alle beherrschen ihre Leidenschaft, begrenzen ihre ersten Auswirkungen, lenken sie, sind klug und fähig genug, das Ziel ihrer Leidenschaft zu erreichen.

Sie sind, wie Marthe de Fels, tief mit der Erde Frankreichs, mit dem Volke Frankreichs, verbunden. Hier sind es die rauen Böden der Alpen, die Faltungen der nackten, leblosen Gelände; dort sind es die Täler, wo sich der Überfluss der Normandie und die Lieblichkeit der Île-de-France vereinigen. Ferner ist es der aschige Sand der Landes, den die Stelzen der Schäfer durchmessen. Dann noch das Wunder der Gewässer, das Wunder der Wälder. Auf diesen Böden entstehen die Gärten, die Obstgärten des Morvan, die Vauban zuschnitt, Gärten des Vivarais und Olivier de Serres‘.

Die weisen Ratschläge, die alle jene erhalten, die ihren Garten bestellen, am frühen Morgen oder am späten Abend – keiner weiß, ob sie von dem großen Agronomen oder von seinem Biografen stammen, so verflechten sich im langsamen Lauf der Werke und der Tage die tiefgehenden Neigungen ineinander, die aussortierten schlechten Kräuter, die kunstvollen Einfassungen aus Lavendel, Thymian und Absinth, der Blumenverkäufer oder Lustgarten, die herrliche Bandbreite der farbigen Sträucher.

Ich habe Marthe de Fels wieder vor Augen, sie in ihrem Garten in der Betulie. Wir kamen am Ende des Tages an, wenn der milde Abend sich mit der Melancholie trifft. Am Morgen danach – die Verzauberung! Gewiss, es gibt schöne Gärten in Varengeville. Aber der Garten Marthe de Fels‘ war der persönlichste mit seinen Rosen, mit seiner wunderbaren Rhododendrenallee. Die Zivilisation der Rhododendren, sagte einer ihrer Freunde.

Ich habe Marthe de Fels wieder vor Augen in ihrem Salon in Passy, umgeben von Schriftstellern: ob in Bildern oder leibhaftig. Auf dem Klavier die Fotografien von André Maurois, von François Mauriac, von Paul Claudel („Wenn ich eine Grimasse schneide“, schreibt er als Widmung, „liegt das daran, dass ich an Thomas Elliott denke.“). Um sie herum, ein andermal, Fargue, Valéry, Giono; danach, im Laufe der Zeit, Roger Caillois, Treuester unter den Treuen; Paul Morand, mit achtzig hellwach wie mit zwanzig; Maurice Genevoix, Jacques de Lacretelle, Jean d’Ormesson, Robert Mallet und Wissenschaftler wie Emilienne und Etienne Wolff. Und jede Woche ihr Brief an Saint-John Perse,  der ihr sehr schöne Gedichte widmete.

Ganz plötzlich verlässt sie ihren Salon, ihre Freunde und entflieht in die Rocky Mountains, in den Dschungel, in die Rosen von Ispahan.

Sie war unter denen, die nach dem Ende des letzten Krieges den Zug der Dankbarkeit in die Vereinigten Staaten schickten. Ein Zug mit achtundvierzig Waggons, beladen mit Kunstwerken, übergeben als Zeugnis der Dankbarkeit zu der großen befreundeten Republik.

In der ganzen Welt hat sie durch ihre Besprechungen die französische Literatur, die großen französischen Schriftsteller verteidigt.

Als treue Freundin, die immer zur Stelle war und alles opferte, um einem Freund zu helfen, Schöpferin von Schönheit, selbst große Schriftstellerin, lebt Marthe de Fels in ihren Gesprächen, in ihren Briefen, in ihren Vorträgen, ihren Schriftsteller-Freunden, ihren Helden nahe. Sie gibt sie uns wieder als stark und vertraut, standhaft und zärtlich, groß im Leben und nach dem Leben.

Wie Adrienne Monnier im Haus der Bücherfreunde, wie Vittoria Ocampo in San Isidora, hat Marthe de Fels mit einer bewunderungswürdigen Zurückhaltung die Literatur ihrer Zeit geführt und gelenkt.

Dieter Fels

3. Dezember 1999

BIBLIOGRAFIE

PIERRE POIVRE OU L’AMOUR DES ÉPICES  [1968] , 203 pages, Hachette
Pierre Poivre 1719-1786 und die Geschichte des Gewürzhandels / sur l’histoire du commerce des épices

MONSIEUR VINCENT (TERRE DE FRANCE, III) [1936] , 128 pages, 110 x 185 mm. Collection catholique, Gallimard

OLIVIER DE SERRES [1963] , 152 pages sous couv. ill., 118 x 185 mm. Hors série Connaissance, Gallimard

POUSSIN (TERRE DE FRANCE) [1933] , 220 pages, 105 x 160 mm. Tirages restreints, Gallimard ISBN 2070223663

U.S.A. [1937] , 132 pages sous couv. ill., 118 x 185 mm. Collection Carnets de Voyage, Gallimard

VAUBAN [1932] . Avec un frontispice, 144 pages, 105 x 160 mm. Tirages restreints, Gallimard

LA VIE DE CLAUDE MONET [1929] , 244 pages + 8 p. hors texte, 4 ill., sous couv. ill., 118 x 185 mm. Collection Vies des Hommes illustres (No 33), Gallimard ISBN 2070223647

 

PREISE der Académie Française:

1964          für OLIVIER DE SERRES den Prix Gustave Le Métais-Larivière  –  1 000 F
1969          für PIERRE POIVRE OU L’AMOUR DES ÉPICES den Prix Marie-Eugène Simon-Henri-Martin  –  1 000 F
1976          für QUATRE MESSIEURS DE FRANCE den Prix Alice-Louis Barthou  –  médaille d’argent
(Offizielle Quelle)

7. Dezember 2008 - Posted by | Bücher

2 Kommentare »

  1. Hallo Herr Fels,

    wenn der Artikel aus dem Figaro, den Sie übersetzt haben, auch ein Foto von Marthe de Fels brachte, oder Sie sonst ein Foto der Frau besitzen, wäre ich sehr glücklich, wenn Sie es einmal in Ihrem Blog veröffentlichten. Ich bin über Saint-John Perse auf sie gestoßen, und es würde mich sehr interessieren, wie sie aussah.

    Mit freundlichen Grüssen
    GB

    Kommentar von Gustav Bade | 6. Dezember 2008

  2. Normally I don’t read article on blogs, however I wish to say that this write-up very pressured me to try and do it! Your writing style has been surprised me. Thank you, quite great article.

    Kommentar von Dexter | 21. Juni 2013


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